Was lernen die Kinder im Waldorfkindergarten?

Für das ungeübte Auge sieht ein Tag im Waldorfkindergarten so aus, als ob die Kinder nur spielen. Doch der Tagesablauf im Waldorfkindergarten ist so eingerichtet, dass die Kinder bei alltäglichen Arbeiten, Bewegungsaktivitäten und künstlerischen Betätigungen allerlei lernen.

 

Beim Ankommen ziehen die Kinder Jacke und Schuhe aus und ihre Hausschuhe an. Dabei wird gelernt, sich um seine eigene Kleidung zu kümmern und die Jacke ordentlich an den eigenen Haken zu hängen und die Schuhe ins Schuhfach zu stellen. Dies wird in vielen Familien von den Eltern gemacht, weil es einfach schneller geht. Aber im Kindergarten haben wir Zeit.

Das Begrüßen der anderen Kinder und Erwachsenen gehört schon zur Sozialerziehung. Soziale Umgangsformen und Normen werden gelernt.

Der Tag beginnt mit einem Stuhlkreis, gefolgt vom täglichen Reigen, der für etwa drei Wochen gleich bleibt. Der Reigen ist eine Folge von Liedern und Gedichten, die mit Bewegungsabläufen und Gesten im dynamischen Kreis dargestellt werden. Die Kindergärtnerin leitet den Reigen, die Kinder ahmen nach. Erklärungen sind nicht nötig, da die Kleinen durch Nachahmung und Wiederholung lernen. Nach ein paar Tagen können die Kinder schon beim Singen und Vortragen mitmachen, und nach zwei Wochen kennen sie die Lieder und Gedichte richtig gut. Besonders Kinder mit Sprachverzögerungen profitieren von der klaren Aussprache, die von Bewegungen und Gesten begleitet wird. Der Sprachrhythmus, der beim Reigen zum Tragen kommt, zusammen mit Reimen und Wortschatz, legen den Grundstein für das spätere Lesen und Schreiben. Auch Inhalte in Fremdsprachen kommen manchmal zur Geltung, wobei die Kinder sich mit dem Sprachklang einer anderen Sprache familisieren.

Der Reigen richtet sich thematisch, wie viele andere Aktivitäten im Waldorfkindergarten, nach dem Lauf der Jahreszeiten. Hierbei fühlen sich die Kinder der Natur verbunden und haben Gelegenheit, zu beobachten und auszudrücken, was in der Natur gerade vor sich geht.

Nach dem Reigen wird gespielt, wobei die Kinder viele soziale Fähigkeiten erwerben, wie zum Beispiel Problemlösung, Zusammenarbeit, sich miteinander besprechen, um Ideen zu verwirklichen, Konfliktresolution, Teilen und vieles mehr. Beim Aufräumen wird dann das Sortieren zur Lerngelegenheit. Vergleichende Wörter, wie größer, kleiner, länger, kürzer, mehr oder weniger gewinnen Bedeutung. Dies legt die Grundlagen zur Mathematik. Auch die Hilfe beim Tischdecken, wobei Teller, Tassen und Besteck gezählt und auf den richtigen Platz gestellt werden müssen, bietet Gelegenheit, das Addieren und Subtrahieren im gewöhnlichen Tagesablauf zu lernen.

Beim Essen werden soziale Normen geübt: Warten, bis man an der Reihe ist, Tischmanieren, Essen mit Besteck, Bitten und Danken und so weiter. Auch bietet die Essenszeit eine gute Gelegenheit, sich miteinander zu unterhalten, und zu lernen, sich beim Sprechen abzuwechseln.

Nach dem Essen helfen die großen Kinder beim Abwaschen und Aufräumen und lernen, einen nützlichen Beitrag zum Kindergartenalltag zu leisten.

Danach wird draußen gespielt, oder man geht spazieren. Die Lerngelegenheiten in der Natur sind vielfältig.

Zum Schlussgibt es noch eine Geschichte, die von der Kindergärtnerin im Stuhlkreis erzählt wird. Manchmal gibt es stattdessen ein Puppenspiel, bei dem die großen Kinder auch mitmachen dürfen. Die Kinder lernen, ruhig zu sitzen und zuzuhören. Die gleiche Geschichte wird für mindestens eine Woche erzählt, wobei die Kinder wiederum durch Wiederholung ihren Wortschatz erweitern.